"Manchmal verplaudere ich mich"


„Manchmal verplaudere ich mich“, bekennt Christoph Weiherer. Gut, dass er es sagt – die Besucher in der Kulturkapelle in Langenaubach hätten es sonst vielleicht nicht bemerkt. Nein, im Ernst: Der bajuwarische Barde präsentierte sich in „LA“ als ein liebenswerter Plauderer, begabter Liedermacher und Spaßvogel par excellence. Es gibt natürlich keine Statistik – aber es ist sehr wahrscheinlich, dass in der altehrwürdigen Kapelle aus dem 18. Jahrhundert noch nie so viel gelacht wurde wie an diesem Abend. Die Gäste waren schon nach drei Minuten bester Stimmung – und diese gute Laune hielt ganz lange vor. Dass „der Weiherer“, wie sich der Künstler selbst nennt, aufgrund von Bahnproblemen auf den letzten Drücker gekommen war, merkte niemand. Sein Auftritt in „LA“ war jede Sekunde Verspätung wert. 

„Ich kann nur auf Bayrisch singen“, bekannte der langmähnige 44-Jährige, aber das war nicht dramatisch. Auch wenn die Zuhörer nicht alles verstanden, so schnappten sie doch Wortfetzen und manchmal ganze Textpassagen auf und wurden bestens unterhalten. Weiherer ist bei allem Humor immer auch tiefgründig, denkt um die Ecke und führt seine Gäste gedanklich an Orte, an denen sie vermutlich noch nie – oder zumindest recht selten – waren.

In seinen Liedern befasst er sich unter anderem mit dem Klima, der Deutschen Bahn, der Freiheit, dem KI-gesteuerten Kühlschrank, Superstars, Importstrom aus der Tschechei, Volldeppen, Helmut Kohl, Spritpreisen, dem bayerischen Ministerpräsidenten Söder, seinem Vize und angeblichen Nicht-Flugblatt-Autor Aiwanger, der Wegwerfgesellschaft, Wind- und Atomkraft und vielem mehr. 

Die Anmoderationen sind originell und oft länger als die Lieder selbst

Manchmal dauern die originellen Anmoderationen länger als die Lieder selbst. Und das ist gut so, denn der Mann mit dem Herz für Irrsinn und Wahnwitz kann derart mitreißend erzählen, dass sich das Publikum fragt: „Ist das jetzt ein redender Sänger oder ein Comedian, der zufällig auch noch singen kann?“ Egal – der selbsternannte „Radikal-Poet“ unterhält. Mit der Geschichte über die Unterschrift auf dem Personalausweis und dem an der deutschen Bürokratie gescheiterten Versuch, hinter den Namen einen Punkt zu setzen, einem kleinen Chinesisch-Bayrisch-Sprachkurs („Meng, meng“ bedeutet „mögen, mögen“) oder augenzwinkernden Alltagsweisheiten wie dieser: „Ein Unheil kann schön sein, wenn man es nicht selbst erlebt.“

 

Lieblingsfeind Dobrindt und das Minarett als Instrument

 

Zum Brüllen komisch wird es, wenn sich Weiherer seinen ebenfalls bayerischen Lieblingsfreund/-feind Alexander Dobrindt (CSU) vornimmt. Dieser hatte 2010 auf dem CSU-Parteitag festgestellt: „Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, die müssen sich nicht wundern, wenn sie übermorgen ein Minarett im Garten stehen haben.“ Ein Satz, der, geht es nach dem Liedermacher, nie in Vergessenheit geraten darf. Auch wenn nicht jeder Dobrindts ungewollte Ironie versteht und bei einem Auftritt im Osten eine Besucherin ihrem Mann zuraunte: „Ein Minarett ist ein Instrument…“

Knapp daneben, aber ein weiterer von unzähligen Weiherer-Gags. Der bekennende Niederbayer kämpft gegen das Vergessen an, zitiert den einstigen Verkehrsminister, wo er nur kann, und nannte seine Band „Weiherer und die Dobrindts“, wenngleich ihm der Arbeitstitel „Weiherer und die Zeugen Seehofers“ fast noch besser gefiel. Ganz gleich, wie die Band heißt, Themen für einen Komödianten und Polit-Aktivisten gibt es genug, denn „geeignete Politiker gibt es immer“.

„Ich lach so gern mein Lachen, ich leb so gern mein Leben“, singt Christoph Weiherer an einer Stelle. Und das hätte das Motto des Abends sein können: So tiefgründig die Gedanken des Bayern auch sind, so gleiten sie nie ins Depressiv-Bedrückende ab. Sie sind ganz oft politisch unkorrekt, vielleicht auch mal bissig, aber nie bösartig. Das Glas ist trotz aller Nöte und Krisen immer noch halbvoll bei Weiherer, der „sich gern zum Deppen macht und allweil a Lied auf‘n Lippen“ hat.

Die Besucher des Abends verließen die Kapelle mit strapaziertem Zwerchfell. Und einer klaren Anweisung – wenn sie beim nächsten Mal im Supermarkt nach ihrer Postleitzahl gefragt werden, sollen sie „25541“ antworten. Das ist die Postleitzahl der Kleinstadt Brunsbüttel in Schleswig Holstein, die der Künstler offensichtlich ins Herz geschlossen hat. „Was meint Ihr, wie die Supermarktbetreiber in Haiger aus der Wäsche gucken, wenn die bei ihrer Auswertung feststellen, dass die meisten ihrer Kunden aus Schleswig Holstein zum Einkaufen kommen.“ Diese Form der bayerischen Anarchie passt bestens zum Weiherer…  Ralf Triesch