„Und dann doch noch ein Hallenbad…“


Es gibt viele Zahlen zum Haigerer Hallenbad, und einige sind sehr interessant. Zum Beispiel die, dass 1970 117.377 Menschen die Einrichtung in der Schlesischen Straße besuchten. Super! Die wichtigste aller Zahlen allerdings lässt sich leider trotz aller Bemühungen nicht mehr ermitteln. Wie viele Menschen haben in dem 25-Meter-Becken das Schwimmen erlernt. Es müssen viele Tausend gewesen sein. Am 19. Juli (Freitag) können alle Freunde und Fans des Badees mit dem markanten Sechziger-Jahre-Charme den 60. Geburtstag „ihres“ Bades feiern. Eines Bades, das im Leben vieler Menschen eine große Bedeutung hatte und hat (siehe Bericht „Viele positive Erinnerungen“ auf dieser Seite. 

Anlässlich des Geburtstages hat sich der Fachdienst Öffentlichkeit aus der Haigerer Stadtverwaltung einige Aktionen für das Jubiläum einfallen lassen.

Am Tag nach der Fete wird das Wasser abgelassen

Von 14 bis 21 Uhr wird in der Schlesischen Straße gefeiert. Der Eintritt ist frei, wie Haigers Erster Stadtrat Helmut Schneider (CDU) berichtete. Die Besucher werden musikalisch unterhalten, außerdem wartet auf sie eine kleine Überraschung.

Um 17 Uhr steigt ein Arschbomben-Wettbewerb, bei dem die mutigsten und spektakulärsten Po-Platscher ausgezeichnet werden. Wer an dem Wettbewerb teilnehmen möchte, der sollte sich bis zum 16. Juli unter kulturamt@haiger.de oder persönlich in der Haigerer Touristinfo (Stadthaus am Marktplatz) anmelden.

„Wir hoffen auf ganz viel Spaß für Groß und Klein“, sagt Stadtrat Schneider, den eine ganz persönliche Geschichte mit dem Bad verbindet (siehe Bericht: „Viele positive Erinnerungen“). 

Am Tag nach der Jubiläums-Fete wird das Wasser abgelassen, weil die jährlichen Reinigungs-und Reparaturarbeiten stattfinden.

Am 4. Mai 1964 wird das erste Hallenbad der Region in Haiger eingeweiht

Wie es in den sechziger Jahren zum Bau des Bades kam, hat die Mittenaarer Journalistin Hannelore Benz in ihrem Buch „Zwischen Meiler und Basalt“ humorvoll und kenntnisreich beschrieben. Wir veröffentlichen ihren Bericht mit Genehmigung der Autorin.

Das erste Hallenbad im Dillkreis wurde am 4. Mai 1964 in Haiger eingeweiht. Die Ehrengäste aus den Reihen der Stadtverordneten, des Magistrats, des Kreistags und des Kreisausschusses erschienen in feierlichem Schwarz, auch Dr. Erich Großkopf (Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion und Kreistagsabgeordneter): Er trug eine schwarze Badehose und weihte das Becken mit einem kühnen Kopfsprung ein.

Damit ertränkte er den Neid der Herborner auf die erfolgreicheren Haigerer. Schließlich waren die Leute aus dem südlichen Dillkreis durch ihre hervorragenden Beziehungen daran gewöhnt, das zu kriegen, was sie haben wollten - zum Beispiel ein eigenes Gymnasium. Und nun hatten die „Hinterhöfler“ des Dillkreises ihnen vorgemacht, wie man sich ein Hallenbad baut.

Bürgermeister Kröckel schnappt den Dillenburgern das Bad weg

Wie konnte das passieren?“ Nun ja, der Haigerer Bürgermeister, ausgestattet mit einer gehörigen Portion Beilsteiner Mutterwitz, war nicht nur tüchtig, sondern er hatte halt auch mal Glück. 

Kröckel hatte gehört, dass die Deutsche Sporthochschule in Köln ein Forschungsprojekt betrieb, das sich mit Kleinschwimmhallen in kleinen Gemeinden beschäftigte. Zu diesem Zweck sollten fünf entsprechende Objekte beobachtet und bezuschusst werden. Vier waren schon vergeben, als Willi Kröckel sich einschaltete; um das fünfte bemühte sich auch Dillenburg, aber das schnappte sich dann Haiger - mehr oder weniger durch Zufall. Kröckel hatte in Wiesbaden bei der Landesregierung zu tun und sagte sich: „Wenn Du schon mal hier bist, guckst Du gerade mal nach, ob der Innenminister auch im Haus ist und sprichst mit ihm über das Hallenbad.“ Dessen Sekretärin aber teilte ihm bedauernd mit, der Herr Minister befinde sich in einer Besprechung, und das würde auch noch länger dauern.

Verhandlungen auf der Toilette 

Unschlüssig, ob er nun warten oder weggehen sollte, ging der Haigerer Bürgermeister erst mal aufs Klo. Und als er da so stand, trat ein Herr neben ihn, der das gleiche Bedürfnis hatte. Es war Innenminister Heinrich Schneider, der in seinem Nebenmann einen Bürgermeister erkannte. Er frage jovial, was er denn hier so in Wiesbaden mache. Was Schöneres hätte er nicht fragen können, und Kröckel ergriff nun auch die Gelegenheit beim Schopf und unterbreitete dem Minister in kurzen Worten sein Anliegen. Der Vortrag dauerte genau so lange, wie die dabei ablaufende Beschäftigung, und der Minister gab, während er seine Kleidung ordnete, die einleuchtende Erklärung ab: „Das kann ich hier nicht entscheiden.“ 

Aber, so bedeutete er im Hinausgehen, am Samstag sei er bei einer SPD-Veranstaltung im Hotel Thier in Dillenburg. Dort solle Kröckel ihn gegen 14 Uhr rausrufen lassen, dann sei er lange genug da gewesen, und dann könne man über die Angelegenheit reden.

Und so geschah’s. Kröckel nahm sich „Haase Dicker“, den Ersten Beigeordneten mit, ließ zur verabredeten Zeit den Minister herausrufen und lud ihn erstmal zum damaligen Standardessen Rippchen mit Kraut ein. 

Bei „Rippchen mit Kraut“ fiel die Entscheidung

Dabei kam ihm entgegen, dass der Mann aus Wiesbaden etwas Schwierigkeiten mit dem Kauen hatte, was nicht am Rippchen lag, das war zart. Aber er hatte gerade neue Zähne bekommen, die noch nicht richtig saßen. Er musste sich also Zeit lassen beim Essen, und die nutzte Kröckel, um ihn davon zu überzeugen, dass nur Haiger der richtige Ort für die Kleinschwimmhalle sei, und so wurde sie gebaut.

Viele positive Erinnerungen

Der erste Stadtrat Helmut Schneider (CDU) über “sein” Hallenbad

„Ich verbinde ganz viele positive Erinnerungen mit dem Hallenbad“, sagt Haigers Erster Stadtrat Helmut Schneider (CDU). Der in Allendorf lebende gebürtige Kernstädter ist Jahrgang 1957 und gehört damit zu den vielen Menschen, die mit dem Hallenbad groß geworden sind.

1964 kam er erstmals ins Hallenbad, 1965 legte er als Achtjähriger die Freischwimmer-Prüfung ab, 1966 folgte der Fahrten- und 1968 der Jugend-Schwimmschein. Vater Josef und Irmgard sorgten dafür, dass die vier Kinder jeden Samstag mit ins Schwimmbad kamen. Schwimmen lernte das Quartett von den Eltern und durch den wiederkehrenden Besuch des Bades.

„Wir haben das Schwimmen  unter Anleitung unserer Mutter spielerisch erlernt –  unser Stil entsprach eher nicht den Olympia-Anforderungen, aber wir hatten großen Spaß“, erinnert sich Helmut Schneider. Der Besuch des Bades, der damals maximal eine Stunde dauern durfte, war regelmäßiger „Bestandteil des Wochenplans“.

Das war eine prägende Erfahrung. Über 20 Jahre später lernten auch Schneiders Kinder das Schwimmen im Haigerer Bad. Und mittlerweile waren auch die ersten Enkel schon dort. „Das Bad spielte und spielt in unserem Familienleben eine große Rolle. Es ist für unsere Familie bereits in vierter Generation das Familienbad“, erklärt der Stadtrat, der in seiner politischen Funktion viele Daten zum Hallenbad gesammelt hat. So kann er dokumentieren, dass im ersten Jahr 104.686 Besucher kamen und die Spitzenzahl bei 117.377 Badegästen im Jahr 1970 lag. Bereits ab 1975 ließen die Zahlen etwas nach - vermutlich, weil auch Herborn und Dillenburg dann über eigene Schwimmbäder verfügten. Das eine mit Wellenfunktion, das andere mit 50-m-Bahn.  

„Zu Beginn gab es im weiten Umkreis keine vergleichbare Einrichtung“, berichtet Schneider, der auch in seiner Freizeit regelmäßig mit seinen Freunden das Hallenbad besuchte. Ohne die Aufsicht der Eltern waren ab und zu die Ordnungsrufe der Bademeister Binde und Bartels zu hören – im Zweifel wurden die übermütigen „Jungspunde zur Zwei-Minuten-Zeitstrafe auf der Wärmebank „verdonnert“. Im Schulschwimmen sorgten „Addi“ Jung und Helmut Hühne dafür, dass niemand den Kurs verließ, ohne schwimmen zu können. „Beim Freischwimmer gehörte ein Sprung vom ‚Einer‘ dazu, das kam einer Mutprobe gleich“, erinnert sich Schneider. Dennoch wurden alle Abzeichen abgelegt und aufgehoben.

„Das Hallenbad hat für viele Menschen und auch für mich eine ganz besondere Bedeutung“, bilanziert der Erste Stadtrat. „Die Stadt Haiger ist stolz, dass wir seit Jahren ein breit gefächertes Angebot an Schwimmkursen für die Bevölkerung anbieten können.“ Auch er wäre froh zu wissen, wieviele Tausende Menschen aus Haiger und den umliegenden Gemeinden – auch NRW – dort das Schwimmen erlernt und positive Erinnerungen an das Haigerer Familienbad haben. 

Wer diese Erinnerungen mitteilen möchte, kann gerne einen kleinen Text (und auch ein Foto) an presse@haiger.de schicken.